Lernfortschritte planen
Um die Fortschritte der Lernenden zu unterstützen und ihnen das Eintauchen in
ein Fachgebiet zu erleichtern, müssen Lehrende verstehen, wie sich der
Lernfortschritt beschreiben läßt, wie die einzelnen Etappen ineinander greifen
und wie dieser Prozess das Lernen zugänglich macht.
Ein zentraler Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Überzeugung, dass Lernende
aller Altersgruppen auf eine ihrem Alter angepasste Art und Weise aktiv zum
Wissenserwerb in allen fachlichen Handlungsfeldern (handeln, organisieren,
erklären, begründen) einen Beitrag leisten können.
So wie die Komplexität ihres Handlungswissens je nach Alter unterschiedlich
ist, wird auch das von den Lernenden für ihr Handeln benötigte sprachliche
Niveau variieren. Am besten kann dies am Beispiel von Legobausteinen
veranschaulicht werden: bei der Erarbeitung und Darstellung von Fachwissen
werden kognitive Diskursfunktionen und Textsortenwissen auf mehreren Ebenen
miteinander verbunden. Durch Erfahrung und Praxis entwickeln die Lernenden die
Fähigkeit zum abstrakten Denken und können dadurch zunehmend komplexe
Wissensinhalte verarbeiten und diese in zunehmend komplexen Texttypen und
Textsorten vermitteln.
Verglichen mit Anfängern sollten fortgeschrittene Lernende:
- über ein größeres Faktenwissen verfügen;
-
ein vertieftes konzeptuelles Verständnis der fachlichen Inhalte haben;
-
fachspezifische Abläufe und Fertigkeiten besser beherrschen und Strategien
gezielter einsetzen können.
Da der Erwerb von Fachwissen an das Erlernen der notwendigen sprachlichen
Ausdrucksmittel gekoppelt ist, heißt Lernfortschritt immer auch, dass die
Lernenden ihr fachliches Wissen sprachlich ausdrücken und vertieftes Verstehen
demonstrieren können, d. h. dass sie befähigt sind:
-
zunehmend komplexeren Texten in allen fachlich relevanten Darstellungsformen
inhaltliche Information zu entnehmen;
-
eine größere Bandbreite von fachlichen Textsorten und rhetorischen Schritten
(moves) einzusetzen;
-
innerhalb dieser moves ein vertieftes Verständnis von fachlichen Inhalten
und Konzepten auszudrücken;
-
ihr Fachwissen mit einer breiten Palette von fachspezifischen
Darstellungsformen (Karten, Tabellen, Formeln, Zeichnungen, usw.) analog und
digital zu kommunizieren.
Lernfortschritt wird jedoch nicht nur durch den Vergleich von Leistungen auf
unterschiedlichen Niveaus sichtbar, sondern muss bei jeder textlichen
Aufgabenstellung mit in Betracht gezogen werden. Als Lehrende sehen wir oft
die von Lernenden produzierten Texte als Momentaufnahme ihres Könnens zu einem
bestimmten Zeitpunkt und wir sind uns nicht bewusst, dass durch wiederholte
Verbesserungsvorschläge und entsprechende Nachbearbeitung durch die Lernenden
ein viel besseres Ergebnis erzielt werden kann. Wie dieser Vorgang auf einem
einfachen Niveau aussehen kann, wird im Video Austin’s Butterfly sehr
überzeugend dargestellt.
Aus der Praxis für die Praxis:
Teresa Kaubs Materialien für den Chemieunterricht sind ein gutes Beispiel, wie
bei der Durchführung eines Experiments (Redox-Reaktionen) mit zunehmend
schwierigeren Anforderungen ein vertieftes Verständnis
auf drei konzeptuellen Ebenen erreicht werden kann:
Verbessertes Textsortenverständnis auf der Mesoebene (Definition) und der
Makroebene (Versuchsprotokoll) und Befähigung der Lernenden zum Transfer
vorhandener Kompetenzen zur Lösung komplexer Aufgabenstellungen.