Was bedeutet vertieftes Lernen?

Lehrende müssen wissen, wie Konzepte internalisiert und Fertigkeiten automatisiert werden und wie sie diesen Prozess als VermittlerInnen fördern können.

DIE ERFOLGREICHE INTERNALISIERUNG VON KONZEPTEN ERFOLGT IN DREI PHASEN (WYGOTSKI): VERSTEHEN – ABSTRAKTION - TRANSFER

1.   . Materielle Phase (fördert konzeptuelles Verstehen):

Damit die Lernenden Konzepte nicht nur verstehen sondern auch inhaltlich systematisch erfassen und in fachspezifischen Aufgabenstellungen anwenden können, müssen diese Konzepte mit entsprechenden Materialien (be)greifbar gemacht werden (zum Beispiel mit Hilfe von Gegenständen, Karten, Diagrammen oder Modellen).

Wenn man (be)greifbare Materialien einsetzt und sich nicht nur auf sprachliche Erklärungen stützt, macht man Lernende mit fachspezifischen Handlungsmustern vertraut. Dadurch wird das Risiko vermindert, dass sie Lehrinhalte bloß auswendig lernen, ohne sie wirklich zu verstehen.

2.   Verbale Phase (fördert die Abstraktion von Konzepten):

Sobald Lernende demonstrieren können, dass sie mit Hilfe von Lernmaterialien ein Konzept richtig anwenden, sind diese Materialien wegzulassen, damit die Lernenden in die nächste Phase übergehen können.

In dieser Phase müssen die Lernenden die Konzepte entweder anderen Lernenden (soziale Kommunikation) oder sich selbst (Selbstgespräch) erklären. Diese Phase ist für Lernende wesentlich, da sie nun in die Lage versetzt werden, ein Konzept zu beherrschen und sprachlich umzusetzen. Das heißt, es muss für Gelegenheiten gesorgt werden, in denen Lernende ihr Wissen mit anderen teilen und somit vertiefen können. Die Fähigkeit, bei einer praktischen Aufgabenstellung konzeptuelles Verständnis allein mit Hilfe von sprachlichen Mitteln unter Beweis zu stellen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Transfer des konzeptuellen und prozeduralen Wissens von der materiellen zur mentalen Ebene und somit zur Abstraktion von Konzepten und ihrer Anwendung in verschiedensten Kontexten.

3.   Mentale Phase (fördert den Transfer von Konzeptwissen): 

Sind die Lernenden durch den sprachlichen Austausch zu einem wirklichen Verständnis eines Konzepts gelangt, wird der Prozess zum inneren Monolog, zum lautlosen inneren Sprechen, ausgeweitet. Hierbei werden Konzeptwissen und –verwendung zu einem rein mentalen Prozess, welcher die Lernenden in die Lage versetzt, das Konzept in verschiedenen Zusammenhängen und auf kreative Art und Weise anzuwenden.

ZUSAMMENFASSUNG:

Sprache, oder besser die Versprachlichung, ist Grundvoraussetzung für die Internalisierung von Konzepten. Der Transfer von Konzeptwissen ist erst möglich, wenn die Entwicklung von der materiellen zur mentalen Phase vollzogen ist. Greifbare Materialien sind am Anfang wesentlich, da sie den Lernenden helfen, Konzepte wirklich zu verstehen und nicht nur Lerninhalte auswendig zu lernen und wiederzugeben.

Anders formuliert bedeutet dies, wir müssen tief in die Materie eintauchen, bevor die Ausbildung von übertragbarem Wissen und Kompetenzen möglich ist.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR:

  • - Lantolf, James P, and Matthew E. Poehner. Sociocultural Theory and the Pedagogical Imperative in L2 Education: Vygotskian Praxis and the Research/practice Divide. , 2014.

DIE AUTOMATISIERUNG VON FERTIGKEITEN ERFOLGT IN DREI PHASEN UND ERFORDERT AUSGEWOGENE ÜBUNGEN UND AUFGABENSTELLUNGEN SOWIE ENTSPRECHENDES FEEDBACK

Erkenntnissen der kognitiven Psychologie zufolge können Fertigkeiten durch Übung automatisiert werden (Glossar: „die Fähigkeit, als Ergebnis von Übung routinemäßig, verlässlich und zügig zielgerichtete Tätigkeiten durchzuführen”). Mit der Automatisierung von Fertigkeiten werden interne Ressourcen für andere Dinge frei.

 1. Kognitive Phase:

Den Lernenden werden entweder genaue Anweisungen gegeben, wie sie eine Aufgabe zu lösen haben, oder sie beobachten ExpertInnen und versuchen diese nachzuahmen. In dieser Phase wird den Lernenden viel Aufmerksamkeit und Einsatz abverlangt. Folglich arbeiten die Lernenden noch langsam und erbringen Leistungen, die eventuell fehlerbehaftet sind.

2. Deklarative Phase:

Durch Übung kann deklaratives Wissen prozeduralisiert werden.

3. Autonome Phase:

In dieser Phase werden die Fertigkeiten automatisiert. Die Lernenden machen kaum mehr Fehler und konzentrieren sich nicht mehr auf die einzelnen „Teile“ eines Handlungsablaufs.

Hier ist wichtig zu betonen, dass deklaratives Wissen (d. h. Regeln, erklären, wie etwas zu machen ist/wie eine Aufgabe zu erledigen ist) und prozedurales Wissen nicht im gleichen Hirnbereich abgespeichert werden. Leider gibt es zwischen diesen beiden Regionen keine direkte Verbindung, weshalb Lernende Grammatikregeln zwar oft auswendig aufsagen, diese jedoch in einer Kommunikationssituation trotzdem nicht richtig anwenden können. Hinzu kommt, dass für die Förderung der beiden Gedächtnissysteme unterschiedliche Übungsformen notwendig sind.

Die Forschung hat jedoch auch gezeigt, dass die Automatisierung (Überführung von einem regelgeleiteten zum gedächtnisbasierten System) durch eine Mischung von Unterrichtsmethoden und –formen gefördert werden kann. Diese sind:

a)Übungen zur Bewusstseinsförderung
b) kontrollierte Übungen
c) kommunikative Übungen
d) Übungen zur Reflexion von Lernergebnissen
e) Scaffolding und Feedback

 

Abb. 3: Skill Acquisition, Practice and the Dual-Coded Memory Model – a synopsis (Meyer 2014)

WEITERFÜHRENDE LITERATUR:

  • DeKkeyser, R. (2007): Practice in a Second Language. Perspectives from Applied Linguistics and Cognitive Psychology. New York: Cambridge University Press.
  • DeKeyser, R. (2001): Automaticity and automatization. In: Robinson, P. (ed). Cognition and Second Language Instruction (Cambridge Applied Linguistics). Cambridge: CUP, 125-151.
  • Hassan, X. & Macaro, E. et al. (2005): Strategy Training in language learning:  A systematic review of available research. In Research Evidence in Education Library. London: EPPI-Centre, Social Science Research Unit, University of London. //eppi.ioe.ac.uk/cms/LinkClick.aspx?fileticket=F%2FOwckdUekA%3D&tabid=296&mid=1147&language=en-US.
  • Lyster, R. (2007): Learning and Teaching Languages Through Content: A counterbalanced approach. Amsterdam and Philadelphia: John Benjamins Publishing Company.
  • Macaro, E. (2006): Strategies for Language Learning and for Language Use: Revising the Theoretical Framework. In: The Modern Language Journal, 90, iii, 320-337.
  • Meyer, O. (2013). Zum Zusammenhang von fertigkeitsorientierten Lernstrategien und sprachlicher Performanz am Beispiel der Bildbeschreibung im erweiterten Englischunterricht (Unpublished doctoral thesis). Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Eichstätt.

Pluriliterales Lernen in der Praxis
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