Scaffolding

Pluriliterales Lernen für vertieftes Lehren und Lernen erfordert eine Neukonzeption von Scaffolding. Für die meisten Lehrenden bedeutet Scaffolding das Bereitstellen von ausreichenden Lernmaterialien, um den Lernenden die Ausführung einer bestimmten Aufgabenstellung zu ermöglichen. Um jedoch vertieftes Lernen zu fördern, müssen die Lehrenden umdenken und Gelegenheiten schaffen, die die Entwicklung der Lernenden fördern.

Bei diesem neuen Ansatz liegt das Hauptaugenmerk nicht auf dem Produkt sondern auf den Prozessen, die die Lehrenden und Lernenden durchlaufen müssen, um vertieftes Lernen zu ermöglichen. Statt Feedback benötigen die Lernenden ein Feed-Forward. Wenn das Lernen auf den Erwerb von Wissen, Fertigkeiten und Strategien abzielt, so führt vertieftes Lernen zur Internalisierung von Wissen, zur Automatisierung von Fertigkeiten und Strategien, sowie zu einer Entwicklung von Haltungen und Einstellungen, die sich als förderlich für die Lernenden erweisen. Die Lehrenden müssen die Sichtweise der Lernenden annehmen und damit sich selbst als PraktikerInnen wahrnehmen, die nicht nur für die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten verantwortlich sind, sondern auch Verantwortung tragen für die gemeinsame Konstruktion von Wissen im Unterricht. Der Reflexionsprozess findet stets gemeinsam mit den Lernenden statt, wobei kritisches Denken und die Beschäftigung mit wissenschaftlichen Inhalten gefördert werden.

Die Vermittlung spielt in diesem neuen Scaffolding-Modell eine wesentliche Rolle. Sie kann von außen kommen (z. B. fachspezifische Unterstützung oder die Entwicklung allgemeiner strategischer Kompetenzen), oder die Lernenden dazu befähigen, ihr eigenes Scaffolding zu entwickeln (z. B. Lernen in kleineren Einheiten und Mindmapping). Bei der Bearbeitung von Aufgabenstellungen steht die Vermittlung von Wissen in verständlicher und in einer für die Altersgruppe angepassten Form im Vordergrund. Peer Learning spielt dabei eine wichtige Rolle.

Bei diesem neuen Modell zielt Lernen nicht mehr nur auf den Erwerb von Sachinhalten, Sprachenkompetenz und Fertigkeiten ab, sondern es fördert auch das pluriliterale Lernen (und damit die Literalität) mit Hilfe von einer Vielzahl von Aufgabenstellungen. Durch inklusive Praktiken können die Lehrenden nicht nur auf die Bedürfnisse der Lernenden auf Gruppenebene, sondern auch auf individueller Ebene eingehen. So wird jedem/jeder Lernenden die Möglichkeit gegeben, seine/ihre Stärken in den Vordergrund zu stellen. Dies geht einher mit der Forderung nach einer Neukonzeption des Unterrichtsformats. So müssen zum Beispiel die Lehrenden bei einer Posterpräsentation durch die Lernenden überlegen, wie die restlichen Lernenden eingebunden werden können. Die aus den Aufgabenstellungen resultierenden Produkte sollten als Basis und Ressource für Peer Learning dienen. Auf die Entwicklung von Konzeptwissen hat sowohl die Beziehung der Lernenden untereinander als auch die Lernenden-Lehrenden-Beziehung einen großen Einfluss. Unter adaptivem Lehren versteht man deshalb nicht nur die Berücksichtigung von heterogenen Klassen, sondern vor allem die Schaffung eines lernförderlichen Klimas.

Für die Lehrendenausbildung bedeutet dieses neue Modell, dass Scaffolding im Unterricht nur von jenen Lehrenden effizient angewandt werden kann, die sich während ihrer Ausbildung damit praktisch auseinandersetzen konnten. Die Rolle der Lehrenden wird somit neu definiert als eine, die vertieftes Lernen im Gruppenverband, also gemeinsam mit den MitschülerInnen, fördert. Durch den Einsatz dieses neuen Scaffolding-Modells wird eine lernunterstützende Umgebung geschaffen, in der vertieftes Lernen gedeihen kann.

Daniel Xerri, Malta
Silvia Minardi, Italien
L.K. Sylven, Schweden
Stefan Simovski, Mazedonien
Ieva Sproge, Lettland
Daniel Stotz, Schweiz